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Frauen & Literatur

Literatur von Frauen – jahrhundertelang unterschätzt
Obwohl Frauen seit Jahrhunderten schreiben, wurden sie in der Literaturgeschichte lange kaum berücksichtigt. Ihre Texte galten als „nicht kanonfähig“ – zu persönlich, zu gefühlvoll, zu alltäglich. Dabei war es nicht der Inhalt, der sie ausschloss, sondern die Haltung eines männlich dominierten Kulturbetriebs, der bestimmte Themen und Perspektiven als „große Literatur“ definierte – und andere systematisch abwertete.

Das Buch Frauen Literatur: Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt (2021) zeigt eindrucksvoll, wie gezielt Autorinnen aus dem literarischen Gedächtnis verdrängt wurden: Ihre Werke wurden seltener veröffentlicht, kaum nachgedruckt und noch seltener in den Kanon aufgenommen. Die Folge: Generationen von Leser:innen wuchsen mit einem einseitigen Bild von Literatur auf.

Joanna Russ beschreibt in How to Suppress Women’s Writing die subtilen Strategien, mit denen Frauenliteratur entwertet wurde: Man bezeichnete sie als zufälliges Hobby, unterstellte fehlende Originalität oder sprach den Autorinnen die Relevanz ab. Diese Mechanismen funktionierten nicht offen, sondern leise – durch Ignorieren, Abwinken oder Verschieben.

Bis heute wirkt dieses Erbe nach. Erst durch die Arbeit feministischer Literaturkritik und engagierter Verlage wird sichtbar, wie vielfältig, kraftvoll und literarisch bedeutsam das Schreiben von Frauen war und ist. Die Wiederentdeckung vergessener Autorinnen verändert nicht nur das Bild der Vergangenheit – sie öffnet auch neue Räume für die Gegenwartsliteratur.

Vicki Baum: International gefeiert, in Europa lange übersehen
Ein Beispiel für weiblichen literarischen Erfolg trotz Widerständen ist Vicki Baum. Geboren 1888 in Wien, verbrachte sie als Kind Sommer auf Schloss Peigarten im Waldviertel – ein Ort, der Eingang in ihre Romane fand. Nach einer Ausbildung zur Harfenistin wandte sie sich dem Schreiben zu und feierte mit Menschen im Hotel einen Welterfolg.

In den 1930er Jahren wurde Baum in Deutschland zur Zielscheibe antisemitischer Hetze, weshalb sie 1932 in die USA emigrierte, wo sie weiterhin erfolgreich arbeitete. Ihre Werke wurden im NS-Regime verboten und gerieten in Europa in Vergessenheit. Erst heute wird ihr erzählerisches Talent wieder gewürdigt – nicht zuletzt wegen ihrer klugen Gesellschaftsporträts und starken Frauenfiguren.

Neue Stimme aus dem Waldviertel: Daniela Dangl
Auch heute bereichern Frauen die Literaturlandschaft mit frischen Perspektiven. Daniela Dangl aus Waidhofen/Thaya präsentierte 2025 ihren ersten Erzählband. Ihre Texte sind präzise und atmosphärisch dicht, oft geprägt von einem ruhigen, reflektierten Ton. Sie behandelt persönliche und gesellschaftliche Themen mit Tiefgang und ohne Pathos.

Die Ideen erwachsen oft aus einem flüchtigen Bild oder einer Spracheingebung. Emotionale Szenen verfasst sie im Waldviertler Dialekt, während sie für komplexe Gedanken das Hochdeutsche nutzt – so entstehen Dialoge mit besonderer Ausdruckskraft und Nähe.

Literatur braucht Vielfalt – und Erinnerung
Die Geschichte der Literatur ist keine neutrale Chronik, sondern geprägt von Auswahl und Ausschluss. Frauen wurden systematisch benachteiligt, ihre Werke vergessen. Literatur von Frauen ist kein Sonderfall – sie ist Teil eines vielfältigen literarischen Erbes, das gehört, gelesen und erinnert werden muss.

 

Quellen:

Station 4

Schloss Peigarten