6-Sinne Radrunde

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Frauen & Leben im Dorf

Ein kurzer Blick zurück
Um 1900 prägten Frauen das Leben im Dorf in fast allen Bereichen – meist im Hintergrund, aber mit großer Verantwortung. Bäuerinnen führten Haus und Hof, Tagelöhnerinnen verdingten sich tageweise in der Landwirtschaft, Schneiderinnen und Mesnerinnen hielten alltägliche Abläufe am Laufen. Berufstätige Frauen waren jedoch rechtlich und gesellschaftlich stark eingeschränkt – verheiratete Frauen durften zum Beispiel in vielen Berufen nicht arbeiten oder hatten keinen Zugang zu formaler Bildung.

Die Unsichtbaren Stützen des Dorfes

Bäuerinnen und Taglöhnerinnen
Frauen auf Bauernhöfen waren echte Multitalente: Sie bestellten Felder, kümmerten sich um Vieh, verarbeiteten Lebensmittel, versorgten Kinder, alte Menschen und das Gesinde. Neben den Bäuerinnen arbeiteten viele Frauen als Taglöhnerinnen – oft selbst Mütter – für einen kleinen Lohn auf anderen Höfen oder bei der Erntehilfe. Ihre Beiträge waren wirtschaftlich unverzichtbar, wurden aber kaum gewürdigt.

Arbeit zwischen Kirche, Post und Amt
Auch in der dörflichen Infrastruktur waren Frauen aktiv. Als Pfarrersköchinnen hielten sie den Pfarrhof am Laufen, als Mesnerinnen sorgten sie für kirchliche Rituale. Postfräulein oft die ersten Ansprechpartnerinnen für Nachrichten und Telefonverbindungen. Diese Frauen waren wichtige Knotenpunkte der Kommunikation und Gemeinschaft – auch wenn ihre Arbeit selten im Rampenlicht stand.

Handarbeit mit Geschichte
Schneiderinnen nähten Kleidung, reparierten Ausrüstung und sorgten dafür, dass Familien für Alltag und Feste gut gekleidet waren. Kleidung war damals etwas Kostbares – neue Stücke gab es nur zu besonderen Anlässen. Die Arbeit war kreativ, anstrengend und oft unter hohem sozialem Druck. Auch das Tragen unterschiedlicher Schürzen – je nach Anlass und Arbeit – spiegelte die feine Alltagskultur wider.

Frauen als Trägerinnen des Brauchtums
Zahlreiche Bräuche wurden durch Frauen am Leben gehalten. Sie organisierten Adventsfeiern, backten traditionelle Kekse, bereiteten das Haus auf das Weihnachtsfest vor oder waren für die kirchliche Gestaltung der Fastenzeit zuständig. Diese Rituale stärkten das Zusammengehörigkeitsgefühl im Dorf – oft mit großem Aufwand und immer mit viel Liebe zum Detail.

Die unsichtbare Last: Care-Arbeit am Land
Care-Arbeit – also die Sorge und Pflege für andere – ist ein zentrales, aber oft übersehenes Fundament des dörflichen Lebens. Historisch übernahmen Frauen ganz selbstverständlich die Versorgung von Kindern, alten Menschen, Kranken sowie das emotionale Kümmern um Familie und Gemeinschaft. Diese Tätigkeiten fanden meist im Verborgenen statt, wurden nicht entlohnt und galten lange nicht als „richtige Arbeit“. Bis heute leisten Frauen in Österreich laut dem Momentum Institut rund 47 % mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer – das betrifft insbesondere Hausarbeit, Kinderbetreuung und die Pflege älterer Angehöriger. In vielen Familien übernehmen ältere Frauen zusätzlich die Pflege von Eltern oder Schwiegereltern, oft unter großem persönlichem Verzicht. Um diese Lücken zu schließen, kommen vermehrt 24-Stunden-Betreuungskräfte aus dem Ausland zum Einsatz. Diese Frauen arbeiten häufig unter prekären Bedingungen – mit wenig sozialer Absicherung, langen Arbeitszeiten und isoliert vom gesellschaftlichen Leben. Die mangelnde Anerkennung und strukturelle Ungleichverteilung von Sorgearbeit sind eine zentrale soziale Frage, die besonders in ländlichen Regionen sichtbar wird. Eine zukunftsfähige Dorfentwicklung muss Care-Arbeit daher endlich sichtbar machen, gerecht verteilen und unterstützen – durch Infrastruktur, faire Bezahlung und politische Rahmenbedingungen.

Der Wandel – wenn die Frauen gehen
In den letzten Jahrzehnten haben viele Frauen die Dörfer verlassen. Gründe dafür sind unter anderem fehlende Bildungschancen, mangelnde Kinderbetreuung, schlechte Mobilität und eingeschränkte Jobangebote. Besonders gut ausgebildete junge Frauen zieht es in die Städte – mit langfristigen Folgen: Dörfer überaltern, soziale Strukturen zerbrechen, Vereine verlieren Mitglieder.

Neue Perspektiven für Frauen am Land
Will man das Dorf lebendig halten, muss man es für Frauen attraktiv gestalten. Dazu gehören flexible Arbeitsmöglichkeiten, bessere Betreuungseinrichtungen, sichere Wege und Treffpunkte, gemeinschaftlich nutzbare Räume oder auch kulturelle Angebote. Denn Frauen sind oft die Impulsgeberinnen für Wandel, wenn sie die Möglichkeit dazu bekommen.

 

Quellen:

Station 12

Tschechisch Kanada