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Frauen & Adel

Frauen und Adel – Schloss Ebergersch als Schauplatz weiblicher Geschichte

Die Geschichte des Schlosses Ebergersch (tschechisch Dobrohor) ist untrennbar mit der Adelsfamilie Wenzel-Sternbach verbunden. Ursprünglich lag hier die Ortschaft Eberhards, die im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde. Nach dem Tod von Otto von Herberstein-Moltke im Jahr 1831 erbte Baron Ferdinand von Wenzel-Sternbach das Gut. Zwischen 1842 und 1847 ließ er die bestehende Brauerei zu einem klassizistischen Schloss umbauen. Damit wurde Ebergersch Sitz der Verwaltung der Herrschaft Landstein.

Frauen als Trägerinnen von Kultur und Kontinuität

Adel bedeutete Macht und Einfluss, aber auch Pflicht zur Repräsentation und Verantwortung. Frauen spielten darin eine oft unterschätzte Rolle: Sie sicherten durch Heirat Besitz und Allianzen, führten den Haushalt repräsentativer Residenzen und setzten kulturelle Akzente. Auf Schloss Ebergersch waren es adelige Frauen, die Räume gestalteten, Feste organisierten und Netzwerke pflegten. Zugleich engagierten sie sich in Wohltätigkeit, Bildung und religiösem Leben. Ihr Wirken sicherte den sozialen Zusammenhalt und machte Schlösser wie Ebergersch zu kulturellen Mittelpunkten.

Das Wappen der Sternbachs – zwei Sterne und ein Bach – prangt bis heute über dem Eingang. Es erinnert an die tiefe Verwurzelung der Familie, deren Geschichte auch durch Frauen über Generationen hinweg getragen wurde.

Brüche im 20. Jahrhundert – die Schwestern Sternbach

Die politische und gesellschaftliche Umwälzung des 20. Jahrhunderts stellte die adelige Lebenswelt auf den Kopf. Besonders deutlich zeigt sich das in den Biografien der drei Schwestern Elisabeth, Eleonora und Leopoldine Sternbach:

  • Elisabeth (geb. 1923) arbeitete an der HNO-Klinik in Prag und später auf einem Gut in Třešť – ein Abstieg von der repräsentativen Stellung des Adels hin zu einem von Arbeit geprägten Alltag.
  • Eleonora (1928–2008) widersetzte sich der Zwangsverpflichtung zur Wehrmacht, floh und schloss sich einer tschechischen Partisanengruppe an. Sie half bei einer ihrer größten Aktionen, widerstand Gestapo-Verhören und bewies damit Mut und Widerstandskraft. Nach dem Krieg lebte sie in Italien – die Heimat sah sie nie wieder.
  • Leopoldine (geb. 1929) wurde in die Textilfabrik Engelmann in Třešť eingezogen, wo sie bis Kriegsende arbeiten musste – ein weiteres Beispiel, wie Kriegsjahre adelige Herkunft bedeutungslos machten.

Diese Schwestern verkörpern exemplarisch, wie Frauen des Adels im 20. Jahrhundert ihre Rolle neu definieren mussten: nicht mehr als Herrinnen auf einem Schloss, sondern als Arbeiterinnen, Ärztinnen oder Widerstandskämpferinnen.

Adel, Rang und Wandel

Über Jahrhunderte war der Adel eng mit der Kaiserfamilie der Habsburger verbunden. Frauen hatten durch Ehen Zugang zu einflussreichen Netzwerken und waren entscheidend für das Fortbestehen der Dynastien. Innerhalb des Adels herrschte eine strikte Rangordnung.

Mit dem Adelsaufhebungsgesetz von 1919 verlor diese Ordnung in Österreich jedoch ihre rechtliche Grundlage: Titel, Prädikate und Rangbezeichnungen wurden verboten. Auch die Sternbachs führten fortan offiziell nur mehr den Namen ohne „von“. Damit verloren Frauen wie Männer gleichermaßen ihre gesellschaftlich festgeschriebene Position und mussten neue Wege finden, sich zu behaupten.

Erinnerung und Gegenwart

Nach 1945 wurde Schloss Ebergersch verstaatlicht und verfiel trotz Denkmalschutz. Erst 2013 begannen neue private Eigentümer mit einer behutsamen Restaurierung. Heute ist das Schloss ein Ort der Begegnung, an dem Ausstellungen, Künstler-Vernissagen und kulturelle Veranstaltungen stattfinden.

Gerade im Licht dieser Geschichte zeigt sich: Frauen prägten den Adel in Böhmen und im Waldviertel entscheidend – von den repräsentativen Gestalterinnen des 19. Jahrhunderts bis zu den mutigen Schwestern Sternbach, die in den Umbrüchen des 20. Jahrhunderts eigene Wege gehen mussten. Schloss Ebergersch steht so nicht nur für die Geschichte einer Adelsfamilie, sondern auch für das Wirken und Durchhaltevermögen ihrer Frauen – Vergangenheit, Umbruch und Neubeginn in einem.

 

Quellen:

 

Station 11

Schloss Ebergersch