Frauen auf der Flucht – Spuren von Vergangenheit und Gegenwart
Flucht ist kein abstrakter Zustand – sie ist ein menschliches Schicksal. Besonders Frauen erleben sie unter schwierigsten Bedingungen: als Mütter, Töchter, Witwen – oft schutzlos, oft allein. Was bedeutet es, als Frau auf der Flucht zu sein – damals wie heute, hier im Waldviertel und darüber hinaus?
Die vergessene Hälfte – Frauen im globalen Fluchtgeschehen
Mehr als die Hälfte aller Flüchtenden weltweit sind Frauen und Mädchen. Doch ihre Geschichten werden selten gehört. Frauen sind auf der Flucht nicht nur Begleiterinnen, sondern häufig Schutzsuchende in mehrfacher Hinsicht: bedroht durch sexualisierte Gewalt, fehlende Gesundheitsversorgung, Isolation oder den Verlust ihrer Existenzgrundlage.
Allein unterwegs oder mit Kindern, oft ohne Besitz, ohne Sprache, ohne Sicherheit – und doch mit großer Verantwortung. Ihre Herausforderungen enden nicht mit der Ankunft, sondern setzen sich in bürokratischen Verfahren, im Alltag und im Kampf um Teilhabe fort.
Quelle: UNHCR: Frauen auf der Flucht
Verdrängte Kapitel: Frauen auf der Flucht 1945 im Waldviertel
Auch hier in der Region waren Frauen die Hauptträgerinnen des Überlebenswillens in der Nachkriegszeit. 1945 flohen viele aus zerbombten Städten, von der Front, aus Lagern – sie kamen erschöpft, hungrig und ohne Perspektive ins Waldviertel.
Brigitte Kaisers Buch „Leben oder Überleben“ beschreibt eindrücklich, wie Frauen oft alleine für Kinder, Nahrung und Schutz sorgen mussten. In improvisierten Lagern, verlassenen Höfen oder Gasthäusern fanden sie Unterschlupf – nicht selten in Räumen, die bis dahin kaum als Wohnorte gedacht waren.
Quelle: Brigitte Kaiser: Leben oder Überleben – Menschen im Waldviertel 1945
Quelle: Zeitzeugen erinnern sich – Tips.at
Schutz unter der Erde – die Rolle der Erdställe
Ein nahezu vergessenes Kapitel des Schutzes vor Verfolgung sind die geheimnisvollen Erdställe: unterirdische, oft schwer zugängliche Gänge und Kammern, die sich im Bezirk Waidhofen an der Thaya und darüber hinaus bis heute erhalten haben.
Während des zweiten Weltkrieges dienten diese Anlagen nicht nur der Lagerung von Vorräten, sondern auch als Verstecke für die Zivilbevölkerung – vor allem für Frauen und Kinder, die sich dort in Sicherheit brachten, wenn Dörfer bedroht, Häuser geplündert oder Menschen verschleppt wurden.
Ein beeindruckendes Zeugnis liefert die Erinnerung von Maria Schober, die schildert, wie sie während der Kriegsjahre mit ihren Kindern „tief hinabstieg, um die Schrecken oben zu überstehen“. Diese Schutzräume waren dunkel, eng, feucht – doch sie boten Zuflucht in einer Zeit, in der jede Alternative lebensgefährlich war.
Die Erdställe sind stille Erinnerungsräume – Zeugen weiblicher Überlebensstrategien in Zeiten, in denen Schutz nicht selbstverständlich war.
Heute: Die Flucht aus der Ukraine und ihre lokale Dimension
Der Krieg in der Ukraine brachte erneut vor allem Frauen und Kinder auf die Flucht – viele fanden auch im Bezirk Waidhofen Aufnahme. In Obergrünbach etwa wurden vier Familien in einem Bauernhof untergebracht. In Waidhofen wurden Infoabende organisiert, um den Ankommenden Orientierung zu bieten. Die Hilfsbereitschaft war groß – und doch bleiben viele Fragen offen: Wie geht Integration? Wie gelingt der Neuanfang unter fremden Vorzeichen? Denn die psychische Belastung ist hoch: Angst um Angehörige, Unsicherheit über den Aufenthalt, Sprachprobleme und Heimweh prägen den Alltag.
Quelle: Infoabend für Flüchtlinge – meinbezirk.at
Quelle: Obergrünbach: Ein Abschied in die Ungewissheit – noen.at
Erinnerung und Verantwortung
Die Geschichten geflüchteter Frauen, ob aus dem Jahr 1945 oder aus 2022, erzählen von Mut, Not und stiller Stärke. Sie sind eng verknüpft mit Orten der Zuflucht, wie den Erdställen des Waldviertels, aber auch mit den modernen Formen solidarischen Handelns. Die Frage, die bleibt: Wie können wir als Gesellschaft Schutzräume schaffen – heute, morgen, dauerhaft?
Quellen: